Wir nennen sie einfach nur die „große“ Umfahrt – in anderen Vereinen heißt sie Müggelseeumfahrt oder Müggelbergeumfahrt. Die etwa 30 km lange Tour kennt in Berlin und insbesondere im Südosten wohl jeder Rudernde – ob als Tagesfahrt, zu Sternfahrten (z.B. Anrudern oder Abrudern) oder gar als Trainingsfahrt.
Historische Orte und Natur im Wechsel: die Grünuaer Regattastrecke von Olympia 1936, die Köpenicker Altstadt mit Schloss, der Müggelsee, klein Venedig in Rahnsdorf, der Gosener Kanel oder auch naturnäher der Gosener Graben, der Seddinsee und der Lange See. Zahlreiche Vereine, Lokale und Badestellen laden zum Verweilen auf einer entspannten Tagesfahrt. Doch das geht auch schneller!
Die RG Grünau lud nach Corona bedingter Unterbrechnung am 2.Juli 2022 zur 3. „Rund um die Müggelberge“ ein. Welcher Doppelvierer schafft es am schnellsten? 6 Boote starteten im Minutenabstand an der 500m-Marke der Regattastrecke vor dem Bootshaus der RG Grünau. Die Mannschaften waren bunt gemischt: männlich, weiblich, Wanderruderin und Rennruderer, Junior und alter Hase. Alle Boote wurden per GPS getrackt und auf einer Leinwand bei RG Grünau konnte das Renngeschehen auf der langen Strecke verfolgt werden.
Nach einer Einweisung um 14 Uhr durch den Regattaleiter erfolgte der Start gegen 15 Uhr. Das Wetter war sonnig und warm – zu warm. Der Motorbootverkehr war rege, der Wellengang unangenehm. Neben der ruderischen Leistung war also auch eine vorausschauende Fahrweise der Steuerleute notwendig. Auch die Boxenstopptaktik könnte entscheidend sein und wurde im Vorfeld zwischen den Mannschaften diskutiert.
Ich startete mit meinem Boot an Position 3. Mit einem langen und ruhigen Schlag versuchten wir über die Streckee zu kommen. Wir, das waren Tobi, Thomas (ProSport24), Dirk (Märkischer RV), ich und Stm. Noah – eine Mischung aus Wanderruderern und jugendlichem Leichtsinn. Nachdem die Köpenicker Altstadt durch den regen Bootsverkehr zu einer Slalompartie wurde, konnten wir auf dem großen Müggelsee das Boot mit der Startnummer 2 überholen. Boot 1 war nun in sichtweite. In Neu-Holgoland am kleinen Müggelsee wurde es dann richtig eng: Ein Ausflugsdampfer vollführte an der Anlegestelle ein Wendemanöver. Boot 1 versuchte es auf Backbord, Boot 2 auf Steuerbord und wir lagen sowohl von der Position als von der Lage dazwischen. Der Ausflugsdampfer lag quer. „Ruder halt! Trinken!“ befahl ich meiner Mannschaft. 3 große Schluck später nahm der Ausflugsdampfer wieder Fahrt auf. Boot 2 auch, wir folgten und dann Boot 1. Jeder versuchte seine Position zu behaupten oder sich sogar zu verbessern. Boot 2 und wir lagen auf Steuerbord besser. Den Angriff von Boot 2 wehrten wir ab und ruderten nun als erste durch die belebte Müggelspree.
Ob wir jedoch tatsächlich führten konnten wir nicht sagen, weil wir den Abstand zu den Booten 4-6 nicht überblicken konnten. Wir versuchten also weiter in unseren Rhythmus zu blieben und das Boot mit langen Ruderschlägen voranzutreiben. Unser Steuermann manövrierte uns sehr gut durch die enge Müggelspree und auch den Gosner Kanal. Glücklicherweise boten die Bäume am Ufer etwas Schatten. Auf dem Seddinsee angekommen waren wir wieder ganz der Sonne ausgesetzt. Doch jammern hilft nicht – jetzt sind die entscheidenen 10 Kilometer angebrochen. Hier musste sich jetzt zeigen, ob wir unsere Kräfte bisher gut eingeteilt haben. Weiter im Rhythmus, weiter lang von vorn, auch wenn die Muskeln bei jedem Durchzug von Arm über Rücken bis Bein ziehen, auch wenn die Hände schmerzen, auch wenn man nicht mehr ruhig auf dem Rudersitz sitzen kann, … Zähne zusammenbeißen und weiter. Als führendes Boot konnten wir das Feld beobachten. Der Abstand zu den folgenden Booten wurde eher größer als kleiner. Nicht nachlassen. An der Bammelecke bogen wir auf die letzten 2 Kilometer, größtenteils in der Regattastrecke ein. Eine Tempeverschärfung war nicht wirklich möglich, der Rhythmus war nach etwa 2 Stunden festgefahren. Auf den letzten 500m gaben wir nochmal alles – vielleicht konnten wir nochmal 2 Schläge höher fahren. Mehr aber nicht. Als der Zielton ertönte sackten wir erstmal vor Erschöpfung zusammen. Wir waren als erstes wieder in Grünau. Doch es folgte Boot 5, die etwa 2 min nach uns starteten und mit Ron einen weiteren ESVler im Boot hatten. Wie groß war nun der Abstand im Ziel? keine Ahnung!
Entkräftet schlichen wir zum Steg, legten an und halfen uns gegenseitig aus dem Boot. Die Grünauer gebrüßten uns mit einer Hopfenkaltschale, die in unsere Kehlen quasi verdunstete. Durchatmen, Entspannen, sitzen oder einfach nur liegen. Bis zur Siegerehrung mussten wir noch etwas warten. Zur erst wurde das einzige reine Frauenboot geehrt und dann ging es von Platz 5 hoch zu Platz 1. Nach der Verkündigung von Platz 3 stand fest, wir werden einen Doppelsieg erringen. Mit einer Zeit von 2h 10 min und 17 sec und etwa 1 min Vorsprung siegte meine Mannschaft vor Boot 5 mit Ron. Riesenjubel!
Der Abend klang am Grill aus, bevor wir noch unser Boot mit dem schwindenden Tageslicht wieder zurück nach Schmöckwitz ruderten. Ich danke meiner Mannschaft für dieses Rennen! Ich danke Tobi, der kurzfristig für einen erkrankten Ruderer zu diesem besonderen Rennen eingesprungen ist. Besonders möchte ich hervorheben, dass wir innerhalb kürzester Zeit zusammen als Team funktioniert haben und dabei jeder seine Stärke eingebracht hat – das macht Teamsport aus. Ich freue mich auf die nächsten Fahrten und Wettkämpfe.
Riemen- und Dollenbruch